Dülfers
Pfeife
Hans
Dülfer (1892-1915) war
einer der hervorragendsten Kletterer vor
dem Ersten Weltkrieg und bahnbrechend auf dem Gebiet der Seil-
und Sicherungstechnik. Er wurde in Barmen geboren, wuchs in Dortmund
auf und kam 1911 nach München. Hier
war er zunächst in der medizinischen, später in der juristischen und
schließlich in der philosophischen Fakultät eingeschrieben. Seine Vorliebe gehörte
aber der Musik. Er war ein begeisterter und begabter Pianist. Vom Kletterer Hans
Dülfer sagte man, er »streichle den Fels«. In nur
vier Jahren gelangen ihm rund 50 Erstbegehungen
im Kaisergebirge und in den Dolomiten,
darunter die Spitzenleistungen jener Zeit:
Fleischbank-Ostwand, Totenkirchl-Westwand und Dülferriß. Am
12. Juni
1912 wollte Hans Dülfer mit Werner
Schaarschmidt eine Route durch die
Platten der Fleischbank-Ostwand finden. Die beiden
hatten den ersten Quergang schon hinter sich gebracht, da stürzte
der Rucksack mit dem zweiten Seil, den Haken und dem Proviant in die
Tiefe. Auch Dülfers geliebte Pfeife war
mit abgestürzt. Es blieb nichts übrig als aufzugeben und abzuseilen. Drei
Tage später gelang der erste Durchstieg. Prädikat: »Die weitaus schwierigste
Tour des Kaisergebirges.« Dülfer war glücklich. Auf dem
Fleischbankgipfel blies er blauen Rauch aus seiner Pfeife in die Luft
.
Der Ausbruch des Krieges überraschte Dülfer in den Dolomiten. Die
Südwand der Cisleser Odla war seine letzte Neutour. Er meldete sich
als Freiwilliger und kam an die Westfront. Am 13. Juni 1915
schickte er seinem Vater, der oft sein Berggefährte gewesen, einenKartengruß:
»Übermorgen, am 15. Juni, ist das Jubiläum der .Fleischbank-Ostwand.
Ich rauche zur Feier aus der Pfeife, die mir damals
im Rucksack die halbe Wand hinuntergepurzelt ist.« An jenem dritten Jahrestag lag
er als vorgeschobener Posten im Trommelfeuer bei Arras und wurde tödlich
getroffen. Die Pfeife aber kam
wieder in die Heimat zurück. Wie die
Pfeife zu Franz Nieberl kam, schilderte dieser folgendermaßen: »Zur Vollendung
meines 80.Lebensjahres
erhielt ich viele Geschenke von nah
und fern. Darunter war ein Päckchen von einem mir
unbekannten Absender. Inhalt: eine alte, abgenützte Tabakspfeife und ein
handgehäkeltes Tabaksbeutelchen. Dabei lag ein Brief: >da
las ich den Artikel über den Kaiserpapst. Am Schluß hieß es: raucht
stets Pfeife! Da kam mir der Gedanke an die Pfeife und den Tabaksbeutel
vom Dülfer-Hans. Wollte selbe dem Alpinen Museum schenken, aber ich glaube, auch der Dülfer-Hans wird sich bestimmt freuen,
wenn sie in Ihre Hände kommt.< Die alte Pfeife war das sinnvollste
Geburtstagsgeschenk. Ich kannte sie gut; der Hans rauchte sie am Berg, in
der Hütte und noch auf Posten im Schützengraben.« Nach
Nieberls Tod kamen Pfeife und Tabaksbeutel in das Alpenvereinshaus in München.
Kleine Alltags-Erinnerungsstücke an einen Menschen,
dessen großes Vermächtnis die Dülferwege im Wilden Kaiser
und in den Dolomiten sind.
Die
Taufe der Punta Emma
Die
Punta Emma im Rosengarten ist neben dem edel geschliffenen Winklerturm
ein buckliger Zwerg, aber immerhin genoß dieser stumpfe
Felsturm um die Jahrhundertwende unter Dolomitenkletterern gewaltige
Wertschätzung. Und zwar wegen des unheimlichen Risses in der Nordostwand, den Tita Piaz allein bezwang. Beim ersten
Versuch kam er nicht durch. Theodor Christomannos, Alpinist und
Förderer des Tourismus in Südtirol, hatte von der Vajolethütte aus
zugeschaut. Als der junge Tita zurückkam, drückte ihm Christomannos 17
Kronen in die Hand und ermunterte ihn: »Lieber Piaz, kaufen Sie sich
endlich ordentliche Kletterschuhe, dann werden Sie es
schon schaffen! «Und
er schaffte es, und zwar ohne Gefährten und Hakensicherung! Der
große Paul Preuß schrieb anerkennend: »Eine einzig dastehende Leistung
in jener Zeit!«Vorher hatte Piaz die
Erstbesteigung dieses »Nördlichen Rosengartenpfeilers«
von Nordwesten her gemacht, und es wurmte ihn, daß der
Gipfel namenlos war. Er suchte also nach einer Taufpatin und fand sie in
Emma Dallagiacomo, Küchenfee der Vajolethütte. Piaz schrieb:
»Ich redete ihr gut zu, versprach ihr, sie mit einem Schlage für alle Zukunft
berühmt zu machen, indem ich ihr das großartigste Denkmal
setzte und obendrein noch dasjenige, das von der Hütte aus am deutlichsten zu
sehen war. Geblendet von so viel Ruhm kam ging sie schließlich mit durch die
schwierige Wand auf den Gipfel. Und
dort oben vollzog ich im Angesicht Gottes und der Menschen feierlich die große
Taufe. Es blieb bei Punta Emma. Und so ging das Küchenmädchen der Vajoletthütte
im Jahre 1899 in die alpine Geschichte ein.
Hermann Buhls
„Tour de Suisse“
Die
sogenannte verrückteste Tour de Suisse des Hermann Buhl 1952 Er meinte, daß er
seine finanzielle Lage mit dem Fahrrad überlisten wolle. Er kam abends von
einer Vermißtensuche im Karwendel zurück fuhr mit der Bahn nach Landeck. Hier
begann seine Radtour. Er wollte mit seinem alten Radl in das Bergell zu Badile
Nordostwand fahren. Um Mitternacht überschritt Buhl die schweizer Grenze. Dort
legte er sich 2 Std. ins Gebüsch, nahm ein kaltes Frühstück und radelte
weiter bis zum Malojapaß. Er raste die Kurven ins Val Bregaglia hinunter. Buhl
hatte nur fünf Franken in der Tasche, was aber reichen mußte. Um 19 Uhr betrat
er vom Regen durchnäßt die Sciorahütte. Am nächsten Morgen um 6 Uhr stieg er
in die Platten der Nordostwand ein. Um 11 Uhr hatte er die 800 Meter Wand hinter
sich gebracht, in der seine Vorgänger drei Tage unterwegs waren. Über die
Nordkante stieg er ab. Um 15 Uhr hatte er wieder sicheren Boden unter sich. In
Promotogno wurde Buhl wieder zum Radler. In 2 Stunden schaffte er 20 km mit 1000
Meter Steigung. Um 2 Uhr morgens passierte er die Grenze. Aber Innsbruck war
noch weit. Über seine weitere Heimfahrt erzählte Buhl. " Im Trancezustand
bewege ich monoton die Pedalen. Nur mit Aufwand aller Energie konnte ich mich
wachhalten. Noch 15 km bis Landeck. Plötzlich ein krachen. Gewaltsam wurde ich
gestoppt...ich überschlug mich. Im hohen Bogen flog ich durch die Luft und stürzte
in den Inn. Die peinliche Frische meines ungewöhnlichen Aufenthaltortes läßt
mich schnell wieder munter werden. Mein Fahrrad total demoliert. Ich nehme das
Rad auf die Schulter und marschiere zu Fuß weiter." Ein Postauto nahm ihn
mit. Radlerpech, ein Loch im Kopf und ein verbeultes Fahrrad-das konnte Hermann
Buhl nicht aus der Fassung bringen. Er hatte ja die Badile Nordostwand in der
Tasche- allein in fünf Stunden. Und er war im Geiste schon unterwegs zum Nanga
Parbat.
Pech
mit dem Mauerhaken
Es
war 1925, in den Anfängerjahren des Franzl Fischer. Mit Gustl Findl, der ein
Jahr später an der Dreitorspitze abstürzte, hing er in der
Gaif-Südwand, um deren zweite Begehung es ging. Von einem nicht
alltäglichen Kletterabenteuer berichtet der Franze: »Gustl ging weiter.
Nach einigen Metern hörte ich ihn nageln. Auf meine Frage, ob es schwieriger würde,
rief er mir zu, daß er sich halt ein bisserl
verstiegen hätte, den nächsten Haken aber schon sehe. Langsam
schlich das Seil durch meine Hände. Da ertönte schon sein >Auf
geht's!< Raus mit der Selbstsicherung und weiter! Aber nicht lange,
denn Gustl war ja einige Meter falsch geklettert. Statt schräg nach
rechts hatte er seinen Weg gerade hinauf gesucht. Ich mußte jedenfalls zum Haken, konnte aber droben nicht gut stehen. So blöd habe
ich mich während meiner ganzen Kletterei nicht angestellt wie da.
Ich hängte nämlich das Seil aus und benützte den Haken als Griff, um für die Füße einen besseren Stand zu suchen. Ja, das wäre
ganz recht gewesen, wenn ich nicht in die Öse gegriffen hätte, denn ich
rutschte etwas ab und dehnte mir den Finger, daß er dick wurde und
ich ihn nicht mehr aus der Hakenöse brachte. Zuerst probierte ich in aller Ruhe herum - es
ging nicht! Da wurde ich unruhiger, und es ging erst recht nicht. Schließlich packte mich die Wut. Und Gustl grinste.
Ich wußte mir wirklich nicht mehr zu helfen und dachte in meiner Verzweiflung
schon daran, den Finger wegzuschlagen. Da ließ
sich Gustl wieder vernehmen und riet mir: >Du Depp, hau doch den
Haken raus!< Ja, das war mir in meiner Aufregung wirklich nicht eingefallen!
Mit der Rechten war ich angenagelt, und mit der Linken konnte ich nicht
gut zielen. Wie oft ich mir die Finger blutig geschlagen habe, weiß ich
nicht. Endlich ging das Luder von einem Haken heraus.
0 mei! Gustls
Gelächter höre ich noch heute, wie ich mit dem Mauerhaken an
der blutigen Hand daherkam. Nach altbäuerlichem Rezept reinigte
ich mir die Hand an ureigenster Quelle. Auch auf dem Gipfel waren
alle Versuche, mich von dem lästigen Mauerhaken zu befreien,
umsonst. Wohl oder übel mußte ich mit dem Eisenhaken an der Hand hinunter. Ein
sauberer Abstieg war das! Kaum waren wir auf der
Bockhütte, da weichte ich meine geschwollene Hand so lange in einem
Kernseifenbad auf, bis der Teufelshaken herunterging. Und seither
weiß ich: Es ist besser, mit dem Finger einmal in der Nase zu bohren,
als ihn in eine Mauerhakenöse zu stecken!«
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