Meine Berggschichtl 4
 

 

Höflichkeit in der Gletscherspalte

  Otto Eidenschink, überaus fleißiger Berg- und Skiführer, erzählte folgende Geschichte: »Wir saßen im Glocknerhaus und warteten auf besseres Wetter. Der gefallene Neuschnee erschien uns für eine Glocknerbesteigung wenig günstig. Schließlich entschlossen wir uns doch, einen Versuch zu wagen. Und so überquerten wir, eine größe­re Gruppe von Menschen, die Pasterze in Richtung Hofmannsglet­scher. Wir alle vermuteten hier keine Spalten und stapften unange­seilt im tiefen Schnee. Plötzlich verschwand einer lautlos in einer Spalte und hinterließ nur ein Loch im Schnee. Sofort wurde das Seil aus dem Rucksack gerissen und zu dem Mann in der Spalte hinabge­lassen. Mit vereinten Kräften hißten wir den Eingebrochenen hoch. Jetzt erschien in der dunklen Spaltenöffnung eine Gestalt, aber wir trauten unseren Augen nicht - ein Fremder tauchte auf. >Ja, du bist doch koaner von uns. Wann bist denn du reing'fallen? fragte man den Mann. "Gestern um die gleiche Zeit. 1 hab mir denkt, es wird am nächsten Tag schon oaner vorbeikommen oder gar reinfallen." "Ja, und der andere, der von uns?" fragten wir aufgeregt. "Der is no drunten. Er hat mir, weil i so kalte Füaß g'habt hab, an Vortritt lassen."

 

Ein  g`standener  Bergführer

Ein Tourist suchte einen Bergführer für den Grasleitenturm. Er wollte kein Risiko eingehen und erkundigte sich beim Hüttenwirt nach einem Mann, dem er sich in Ruhe anvertrauen könne, nicht allzu jung, erfahren, vorsichtig und zuverlässig. Der Wirt meinte: »Da wär der Pichler-Andrä genau der richtige. Der hat nur beste Referenzen im Führerbüachl. Natürlich kann a Bergführer a amal Pech haben. So ist dem Andrä am Stabelerturm a Tourist abg'stürzt, weil 's Seil g'rissen ist, an der Marmolada ist ihm oaner in a Spalten g'flogen, am Kesselkogel hat oan a Stoa derschlagen und ... »Danke, das reicht mir«, sagte der Tourist. »Ich verzichte!« »Herr, Sie tun dem Andrä unrecht«, antwortete der Hüttenwirt. »Er war immer recht vorsichtig. Selber isch ihm no nie nix passiert.«

 

Luis Trenker  als  Mountain Climber

Wenn mich Journalisten und Reporter interviewten, kamen manchmal recht eigenartige Berichte in die Presse. Die "LOS Angeles' Times" hatte mich als " Mountain-Climber" vorgestellt, und eines Tages kam eine Reporterin vom "Observer" und wollte allerlei wissen. Ich versuchte, ihr die Arbeit mit meinem sparsamen Englisch zu erleichtern, und so begann das Frage- und Antwortspiel:

"Sie sind ein Mountain-Climber?"
"Man sagt hier so."
"Was tut denn ein Mountain-Climber?"
"Er climbt auf die Berge."
"Wozu climbt er auf die Berge?"
"Weil es ihn freut."
"Verdient er dabei Geld?"
"Nein, im Gegenteil, es kostet ihn Geld."

Die junge Dame notierte meine Antwort, schüttelte den Kopf, schaute mich mitleidig lächelnd an und fragte weiter: "Gibt es viele Menschen, die das tun?"
"0 ja, viele- "
"Ist es gefährlich, auf die Mountains zu climben?"
"Je nachdem, manchmal sehr, manchmal weniger."
"Was tut ein Mountain-Climber wenn er am Ziel ist?"
"Dann freut er sich, schaut die Aussicht an und rastet."
"Und was tut er dann?"

"Dann steigt er wieder hinunter ins Tal."
"So? Ist das alles?"
"Ja, alles."
"Hm. Machen das alle Mountain-Climber so?"
"Ja, alle."
"Aber, wozu ist er denn dann hinaufgestiegen?" fragte sie, nachdem sie auch die letzte Antwort aufgeschrieben hatte. Sie hat sich unter einem Mountain-Climber gewiß etwas Vernüftiges vorgestellt, und nun war es damit leider gar nichts.

Euer Luis Trenker

 

          Spaltensturz                                                               

Zwei Skiläufer fuhren über den Karlingergletscher ab. Sie kamen vom Großglockner und waren in bester Laune, die nur dadurch ge­trübt wurde, daß sie angeseilt aufeinander achten mußten. Plötzlich brach der Vordermann in eine verschneite Spalte ein. Geistesgegenwärtig drehte der Kamerad die Ski quer, hielt ruckartig an und umklammerte das Seil mit beiden Händen. Dann versuchte er den Eispickel tief in den Schnee zu rammen und begann aus Leibeskräften am Seil zu ziehen, um den Freund hoch zuhissen. Jedoch so sehr er sich plagte, das Seil dehnte sich nur knisternd, aber der Eingebrochene blieb am selben Fleck hängen.»Zieh net so narrisch an!« rief er aus seinem Eisgefängnis. »Warum net?« fragte der andere verwundert. »Weil's Seil über a scharfe Eiskante lauft. Ich probier's lieber mit Prusikschlingen«. Doch der kräftig ziehende Kamerad meinte beruhigend: »Du weißt ja, daß mich für dich nix reut. Wenn's Seil reißt, häng ich mich a net  auf – denn ich hab ja no a neues daheim!«

 

 

 

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      © Wolfgang Hillmer  2001 - 2010